Eisen- und Fingerhut
Alte und neue Hüte – Eisen- und Fingerhüte sind realer als der Gärtnerhut
Dass zum Gärtner unbedingt der Strohhut gehört, ist eine romantische Vorstellung von Gartenzeitungen und Gartenfotografen/innen. Echte Gärtner stülpen sich alles Mögliche auf den Kopf – Strohhüte habe ich eher selten gesehen. Unverzichtbar für jeden Gärtner allerdings sind die pflanzlichen Hüte Eisenhut und Fingerhut.
Ich meine allerdings nicht den von Waldlichtungen bekannten Roten Fingerhut (Digitalis purpurea). Den muss man nicht mehr vorstellen, denn der taucht zuverlässig in jedem Garten auf, der im Jahr zuvor neu angelegt wurde und in dem der Boden umgegraben wurde.
Hübsch ist er, unser einheimischer Fingerhut, aber leider nicht langlebig. Im ersten Jahr erscheint die Blattrosette, im zweiten Jahr die Blüte und im dritten Jahr hat er sich höchstwahrscheinlich schon verabschiedet. Will man ihn im Garten durch Aussaat erhalten, ist das ständige Stören, sprich Aufhacken und Offenhalten des Bodens notwendig. Und das ist ja etwas, was wir eigentlich im pflegeleichten Staudengarten vermeiden möchten.
Ganz ohne Aufwand verbreitet sich in meinem Garten der Gelbe Fingerhut (Digitalis lutea). Er wächst und verbreitet sich in einer sonnig-warmen Pflanzung, die mit feinem Kies gemulcht worden ist. Zugegeben, die Blüten sind nicht gerade riesig, aber zwischen Blaustrahlhafer (Helictotrichon sempervirens) und Garten-Mannstreu (Eryngium planum `Blauer Zwerg´) setzt dieser hellgelbe Fingerhut vertikale Akzente.
Mit 150 cm hohen schlanken Blütentrauben ist der Rostfarbene Fingerhut (Digitalis ferruginea) kaum zu übersehen. Die Einzelblüten sind gelb-bräunlich bis rostrot. Wie strenge Ausrufungszeichen stehen sie bei mir im Garten an einem warmen, trockenen Platz inmitten des feinen, duftigen Laubes von Peucedanum officinale, dem Arznei-Haarstrang. Der Rostfarbene Fingerhut wird auch nicht alt und ich muss ihn alle paar Jahre wieder ersetzen. Trotzdem nehme ich die Mühe auf mich, denn diese südeuropäische Staude hat nicht nur eine hübsche Blüte, schöne wintergrüne Blattrosetten und ist eine ausgezeichnete Strukturstaude, sondern ernährt auch ein paar ganz ungewöhnliche Gäste: Kleine, silbern bepelzte Wildbienen, die als einzige in die für Honigbienen und Hummeln zu kleinen Blütenöffnungen des Fingerhutes passen. Diese Bienen habe ich nur an diesem Fingerhut gesehen. Ich frage mich, was die Tierchen machen, wenn ihre Futterpflanze verblüht ist?
Kein Umkippen mit den richtigen Partnern
Woher der Name Eisenhut kommt, weiß man, wenn man sich die eisernen Helme spanischer Konquistadoren ansieht. In den Gärten, die ich kenne, werden meist nur die Sommer-Eisenhüte Aconitum napellus, der einheimische Eisenhut und der Garten-Eisenhut, Aconitum x cammarum gepflanzt. Wer einmal Aconitum napellus in freier Natur gesehen hat, z. B. in der Wutachschlucht im Schwarzwald, der weiß, was diese Pflanzen brauchen, um sich wohlzufühlen und gut auszusehen: Schweren, kühlfeuchten Boden und viele Nährstoffe. Wer also mit Dünger spart und seinen Eisenhut trocken-warm hält, wird mit Mickerlingen belohnt, die nur für Schnecken attraktiv ist.
Häufig werden Garten-Eisenhüte mit allen Mitteln aufgebunden, um sie am Umfallen zu hindern. Das sieht hässlich aus und macht unnötige Arbeit. Platzieren Sie diese Eisenhüte in die Mitte einer Pflanzung und umstellen Sie sie mit haltgebenden Stauden wie Herbstanemonen, Geißbart oder Silberkerzen und das Problem des umfallenden Eisenhutes ist gelöst. Oder besser Sie verwenden gleich die wunderbare, standfeste, dunkelblaue Sorte Aconitum x cammarum `Franz Marc´.
Stäben oder Umfallen ist kein Thema für Aconitum carmichaelii var. wilsonii, den Hohen Herbst-Eisenhut, und das, obwohl ich in meinem Garten Exemplare von ca. 1,90 Meter gemessen habe. Trotz der späten Blüte mit früh erscheinendem, glänzendem, gesundem Laub, zudem schneckenresistent und dann noch spät im Jahr diese leuchtend tiefblauen Rispen. Mein absoluter Herbst-Favorit! Pflanzen Sie diesen Eisenhut in Gruppen, vielleicht zusammen mit Artemisia lactiflora `Elfenbein´ oder Anemone hupehensis `Alba´. Und vergessen Sie nicht ein herbstfärbendes Gehölz dazu. Großartig wären Blütenhartriegel (Cornus cousa) oder Katsurabaum (Cercidiphylum japonicum). Was für ein Herbst!
Jörg Pfenningschmidt, Hamburg
www.naturdesign-staudengarten.de