Zu Besuch beim Sorten-TÜV
Bernd Hertle und sein Team nehmen die inneren und die äußeren Werte beliebter Stauden unter die Lupe. Nur die besten Sorten erhalten das Prädikat „ausgezeichnet“.
Wenn ‚Trevi Fountain‘ Anfang April seine Blüten öffnet, versinkt die Welt in magischem Ultramarinblau. Der Wirkung des 30 cm hohen Lungenkrauts (Pulmonaria) mit den attraktiven weißgefleckten Blättern kann sich niemand entziehen. Selbst Bernd Hertle ist von der Schönheit das robusten Frühblühers immer wieder fasziniert – und das will etwas heißen, schließlich hat er ‚Trevi Fountain‘ und 56 weitere Lungenkrautarten und -sorten zwei Jahre lang genauestens unter die Lupe genommen.
Sortenempfehlungen für Hobbygärtner und Profis
Bernd Hertle ist Professor für Freilandzierpflanzen und Urbanen Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Leiter der Weihenstephaner Gärten und Vorsitzender des Arbeitskreises Staudensichtung. Damit hat er nicht nur einen der schönsten Arbeitsplätze überhaupt ergattert, sondern auch einen der spannendsten Jobs der grünen Branche. „In der Staudensichtung untersuchen wir gängige Sorten ausgesuchter Pflanzengattungen mit Blick auf ihren gärtnerischen Wert. Anhand unserer abschließenden Bewertung können sowohl Hobbygärtner als auch Profis auf einen Blick sehen, welche Sorten besonders attraktiv, robust und langlebig sind“, fasst Hertle zusammen. Das Besondere daran: Jede Art oder Sorte wird über mehrere Jahre hinweg beobachtet und zwar nicht nur am Hauptsitz der Sichtung in Weihenstephan, sondern zusätzlich an mehreren weiteren Sichtungsstandorten, die sich klimatisch teils deutlich unterscheiden. „ Dadurch gewährleisten wir, dass die als ‚ausgezeichnet‘ bewerteten Stauden auch wirklich deutschlandweit funktionieren.“ Insgesamt arbeiten unabhängige Experten an 17 Sichtungsstandorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen.
Langlebige Sorten bereiten viele Jahre Freude
Die Staudensichtung hat insbesondere in Weihenstephan eine lange Tradition. Ein Punkt, der den Staudenspezialisten seit jeher am Herzen liegt, ist die Langlebigkeit neuer Sorten. Diese Frage ist auch heute noch aktuell – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Stauden zunehmend wie Sommerblumen verwendet werden: Man setzt sie für eine Saison in einen Kübel, tauscht sie dann aber wieder gegen andere Pflanzen aus – Langlebigkeit ist da nicht vonnöten. „In der Staudensichtung hingegen haben wir eine langfristige Gartengestaltung im Blick. Daher ist uns sehr wichtig, dass die Pflanzen den Gärtner viele Jahre lang begleiten und nicht schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden sind.“
Schönheit und Gesundheit sind Hauptkriterien der Sichtung
Ein weiterer wichtiger Punkt für jeden Gartenfan ist die Pflanzengesundheit, die entsprechend einen großen Einfluss auf das Gesamtergebnis hat. „Darüber hinaus erarbeiten wir für jede untersuchte Pflanzengattung einen eigenen Kriterienkatalog. Der kann sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob es sich zum Beispiel um eine Blütenschmuckpflanze oder eine Blattschmuckpflanze handelt“, erklärt Bernd Hertle. Beim Lungenkraut und beim Storchschnabel (Geranium) beispielsweise standen sowohl die Blüten als auch die Blattschmuckwirkung im Fokus; bei Astern hingegen interessierten die Blätter nur in Bezug auf die Blattgesundheit und den Gesamteindruck der Pflanzen. Die Ergebnisse der Sichtungen werden sowohl von professionellen Pflanzenanbauern als auch von Hobbygärtnern dankbar aufgenommen, das spiegelt sich zum Beispiel in den Katalogen der Gärtnereien und in den zahlreichen Gartenzeitschriften wider. „Dabei hat man eine breite Auswahl, schließlich gibt es sehr viele wertvolle Sorten. Es macht großen Spaß zu sehen, wie gut sie sich in Pflanzungen entwickeln. Dann erinnere ich mich auch immer wieder gern an die Sichtungen zurück.“
Ergebnisse der Staudensichtungen
Für insgesamt 18 Pflanzengattungen hat der Arbeitskreis Staudensichtung bislang Sichtungsergebnisse im Netz veröffentlicht – eine enorme Zahl, wenn man bedenkt, dass allein beim Storchschnabel 155 Sorten aufgepflanzt werden mussten, bei den Astern sogar 216. Weitere sieben Gattungen werden noch getestet, jedes Jahr kommen zudem ein bis zwei Sortimente neu hinzu. Die Sichtungsergebnisse stehen im Internet kostenfrei zur Verfügung unter www.staudensichtung.de