Zauberhafte Wildstauden – Unverzichtbar, wunderschön – und meist eher zahm als wild
Wo sich früher der „akkurate Rosengarten“ und der „wilde Naturgarten“ unversöhnlich gegenüberstanden, wachsen heute heimische Wildstauden und „fremdländische“ Arten in trauter Eintracht.
Aus Sicht der Bio-Gärtnerin ist das nur konsequent. „Schon die Frage, was denn nun heimische Pflanzen sind, ist ja gar nicht eindeutig zu beantworten.“ Einer gängigen Definition nach gelten etwa auch eingewanderte Pflanzenarten als heimisch, die vor der Entdeckung Amerikas 1492 den Weg zu uns fanden. „Aber ist es wirklich ein Problem, wenn eine Pflanzenart nicht wie Beinwell, Wiesen-Margerite, Natternkopf oder Thymian schon seit den Römern bei uns ist, sondern beispielsweise wie die Glattblatt-Aster „erst“ seit 1687 oder wie der Balkan-Storchschnabel seit 1588?“
Gabriele Haid ist seit langem im Naturschutz aktiv. Beim Thema Pflanzen plädiert sie für einen pragmatischen Ansatz und steht auch vielen „zugezogenen“ Arten offen gegenüber. „Gärten und Parks sind seit jeher vom Menschen geschaffene künstliche Naturräume und daher nicht mit einem natürlichen Ökosystem zu vergleichen. Wie so oft macht es auch hier der Mix: Heimische Pflanzen sind insbesondere für die sogenannten oligolektischen Insektenarten unverzichtbar – das sind Nektar- und Pollenspezialisten, die ganz bestimmte Futterpflanzen benötigen. Gleichzeitig profitieren aber nahezu alle Insekten von den vielen spätblühenden Stauden, die vor allem aus Amerika und Asien zu uns gekommen sind.“
Astern, Duftnesseln, Sonnenhut, Sonnenbraut, Herbst-Anemonen und Kerzen-Knöterich … im Spätsommer und Herbst würde es ohne diese „Exoten“ ziemlich trostlos in unseren Gärten aussehen. „Gerade jetzt, da sich durch die Klimakrise die Flug- und Brutsaison der Insekten deutlich verlängert, sind diese spätblühenden Arten wichtige Nektar- und Pollenspender und ergänzen unsere heimische Flora perfekt.“
Wildstauden und Sortenvielfalt – ein Gegensatz?
Angst vor einer „Überfremdung“ der Gärten ist aus Haids Sicht ebenso wenig angebracht wie Sorge um dschungelähnliche Zustände durch Wildstauden: „Die meisten Wildstauden sind eigentlich ganz zahm. Obendrein stehen oft auch noch mehrere Sorten zur Auswahl. Die Sorten, die wir anbieten, sind meistens genauso zu bewerten wie die reine Art, denn es handelt sich um natürliche Auslesen – also um spontane Mutationen, die zum Beispiel durch eine andere Blütenfarbe oder einen gedrungenen Wuchs auffallen und dann vom Gärtner weitervermehrt werden.“
Lediglich gefüllt blühende und sterile Sorten liefern tatsächlich deutlich weniger oder gar keinen Nektar und Pollen, erklärt die Staudenexpertin. Eingestreut in einen ansonsten vielfältig bepflanzten Garten stellen aber auch sie kein Problem dar. „Und eines ist sowieso klar: Jede Pflanze ist besser als tote Kiesflächen, verbessert das Gartenklima und wirkt aktiv der Klimakrise entgegen!“
Klimakrise: Wildstauden sind hart im Nehmen
icht weil sie wilder sind, sind Wildstauden so robust, sondern weil viele bereits an volle Sonne und Trockenheit gewöhnt sind. „Ein Großteil der angebotenen Wildstauden stammt von Magerwiesen oder Magerrasen und ist an sonnige Plätze und trockene, sandige Böden angepasst. Mit Spezialisten wie der Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis), der Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum) oder dem Kleinen Mannstreu (Eryngium planum) lässt sich daher auch unter verschärften Bedingungen problemlos gärtnern. Das scheinen immer mehr Menschen zu merken, zumindest werden diese Arten bei uns immer stärker nachgefragt. Auch Kommunen greifen für das öffentliche Grün gerne auf diese trockenheitsverträglichen Stauden zurück.“